Wie können Drittstaatenangehörige in Deutschland arbeiten?
Wenn Drittstaatenangehörige in Deutschland arbeiten wollen, müssen zahlreiche Gesetze beachtet werden.
Zwar wollte die Bundesregierung mit den Änderungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes den Zuzug von Fachkräften fördern, dennoch bleibt es nach wie vor schwierig für Drittstaatenangehörige, in Deutschland zu arbeiten.
Gemäß dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz können Fachkräfte aus Drittstaaten unter bestimmten Bedingungen nach Deutschland einwandern, um hier eine Beschäftigung aufzunehmen. Eine zentrale Voraussetzung ist das Vorliegen eines konkreten Arbeitsangebots von einem deutschen Arbeitgeber. Dieser muss oftmals zusätzlich nachweisen, dass die Stelle nicht mit einem inländischen Arbeitgeber besetzt werden kann.
Die Neuerungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes treten in drei Stufen in Kraft. Alle drei Stufen gelten ab dem 01. Juni 2024 – weshalb wir alle Stufen der Einfachheit halber hier zusammenfassen. Die wesentlichen Bausteine der Fachkräfteeinwanderung in Deutschland sind:
Die blaue Karte
Die Blaue Karte EU ist eine spezielle Aufenthaltserlaubnis für hochqualifizierte Fachkräfte aus Drittstaaten, die in einem EU-Mitgliedsstaat arbeiten möchten. Sie wurde eingeführt, um die Einwanderung von Fachkräften zu erleichtern und den Arbeitsmarkt in der EU zu stärken.
Wer eine blaue Karte hat, darf in einem EU-Land arbeiten und langfristig leben, denn nach 33 Monaten wird eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erteilt, wenn der Arbeitsvertrag fortbesteht. Der Familiennachzug ist unter erleichterten Bedingungen möglich, denn die Familienangehörigen müssen bei der Einreise keine deutschen Sprachkenntnisse vorweisen und erhalten eine sofortige Arbeitserlaubnis.
Lesen Sie hier die offiziellen Informationen des deutschen Bundesministeriums zur blauen Karte.
Warum ist der Erhalt der blauen Karte so schwierig?
Für die Beantragung der blauen Karte muss ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegen, das bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Der Knackpunkt, der auch durch die Neuauflage des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes nicht ausreichend gelöst wurde, ist der Mindestverdienst, den die ausländische Fachkraft erhalten soll. Dieser Mindestverdienst orientiert sich an der Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung. Wer mit seinem Bruttomonatsverdienst die Beitragsbemessungsgrenze zur gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet, muss nur Beiträge bis zu dieser Bemessungsgrenze, aber nicht darüber hinaus in die allgemeine Rentenversicherung einzahlen. Diese Bemessungsgrenze wird jährlich angepasst.
Ausländische Fachkräfte sollen nun brutto mindestens 50% dieser Beitragsbemessungsgrenze verdienen, das entspricht 2024 einem Jahresbruttoverdienst von 45.300€, folglich 3.775€ im Monat. In von der Arbeitsagentur anerkannten Mangelberufen sowie für Hochschulabsolventen ohne wesentliche Berufserfahrung beträgt 2024 der Mindestverdienst 3.420€ brutto im Monat. Bei einem geringeren Mindestverdienst in Engpassberufen bedarf es der Zustimmung der Arbeitsagentur ().
Ungefähr entsprechen diese Mindestverdienste dem durchschnittlichen Verdienst der Deutschen. Dieser Durchschnitt wird allerdings über das arithmetische Mittel gebildet und ist somit weniger aussagekräftig als der Median, der statistische Ausreißer nicht so stark berücksichtigt. Der Median liegt ca. 2.000€ unter dem durchschnittlichen Jahresbrutto.
Der problematische Mindestverdienst
Die Mindestverdienste sind kritisch zu sehen, denn häufig bringen ausländische Fachkräfte nicht ausreichend deutsche Sprachkenntnisse mit, um von Beginn an die gleiche Leistung wie ein Muttersprachler zu erzielen, weiterhin kennen ausländische Fachkräfte die landesspezifischen Regelungen in ihren Berufen häufig kaum.
Noch dazu kommen die regionalen Gehaltsunterschiede in Deutschland.
Hierfür ein Beispiel: Fachkräfte für Sanitär-, Heizungs-, und Klimatechnik werden in Deutschland dringend benötigt. Einem kleinen, sächsischen Handwerksbetrieb zu erklären, dass er einer ausländischen Fachkraft 3.420€ im Monat zahlen soll, obwohl die Deutschkenntnisse nur „gerade so“ ausreichend sind und kaum Wissen über die Anforderungen des deutschen Baurechts vorhanden ist, erscheint unrealistisch. Darüber hinaus fehlen häufig die spezifischen Befähigungsnachweise zur Ausübung berufsspezifischer Tätigkeiten. Ein Klempner muss oft Schweißen, hierfür benötigt er eine Schweißerlizenz. Zur Befüllung einer Klimaanlage wird ein „Kälteschein“ benötigt. Eine Anerkennung einer ausländischen Qualifikationen ist langwierig und nervenaufreibend. Es bleibt oft nur, diese Qualifikationen in Deutschland (erneut) zu erwerben. Das kostet den Arbeitgeber Zeit und Geld und möglicherweise führen fehlende Sprachkenntnisse dazu, dass notwendige Weiterbildungen gar nicht erfolgreich absolviert werden können.
In Sachsen beträgt der durchschnittliche Jahresverdienst eines Klempners gerade mal 33.000€ brutto. Wieso sollte dann eine ausländische Fachkraft mit einem Jahresbrutto von 41.000€ eingestellt werden?
Weitere Hürden kommen hinzu:
Die Fachkraft muss einen im Heimatland anerkannten Hochschul- ODER einen qualifizierten Berufsabschluss mit mindestens drei Jahren Ausbildungsdauer plus mindestens 2 Jahre Berufserfahrung im angestrebten Beruf vorweisen. Zwar ist man seit November 2023 bei der Jobsuche nicht mehr auf seinen Ausbildungsberuf beschränkt, dennoch muss man im angestrebten Beruf zwei Jahre Berufserfahrung vorweisen. Dazu benötigt man erst einmal eine entsprechende Bescheinigung des vorherigen Arbeitgebers. Weiterhin soll das Jobangebot der ausländischen Qualifikation „angemessen“ sein. Dabei gibt es Interpretationsspielraum.
Weiterhin gibt es so genannte „reglementierte Berufe,“ z.B. Apotheker, für die Sie eine gesonderte Berufsausübungserlaubnis benötigen.
Zusammenfassend haben nur Personen eine Chance auf die blaue Karte, die
- hochqualifiziert sind
- die Qualifizierung und ggf. Berufserfahrung durch übersetzte Dokumente ausreichend nachweisen können
- ein hochqualifiziertes Jobangebot erhalten, mit Erfüllung des Mindestverdienst
Für wen eignet sich die Beantragung der blauen Karte?
- Ärzte (Human- und Veterinärmediziner)
- Lehrkräfte
- Ingenieure
- Naturwissenschaftler
- Forscher
- IT-Spezialisten
Wenn Sie nicht zu diesem Personenkreis gehören, sollten Sie anderweitig eine Arbeitserlaubnis beantragen, denn auch das ist möglich:
Erfreulicherweise können Drittstaatenangehörige in Deutschland arbeiten, wenn die Voraussetzungen für die Blaue Karte nicht gegeben sind. Wie funktioniert das?
- Sie erhalten ein schriftliches Arbeitsplatzangebot, vorbehaltlich Arbeitserlaubnis.
- Sie reisen ein (mit Visum!) und melden sich in der Gemeinde- oder Stadtverwaltung Ihrer Unterkunft an.
- Sie beantragen die Aufenthaltserlaubnis nach §19c AufenthaltsGesetz. Hierfür weisen Sie Ihre berufliche Qualifikation nach.
- Die Ausländerbehörde holt die Zustimmung der Agentur für Arbeit ein, die auf der Grundlage der Beschäftigungsverordnung eine Entscheidung trifft.
- Sie erhalten einen Aufenthaltstitel, der daran gebunden ist, dass Sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Im ersten Jahr können Sie den Arbeitgeber nicht ohne Zustimmung wechseln.
Die Hürden:
Die wesentliche Schwierigkeit liegt darin, die Zustimmung der Agentur für Arbeit zu erhalten.
Folgende Voraussetzungen müssen für die Zustimmung erfüllt sein:
- Das Arbeitsplatzangebot für eine qualifizierte Beschäftigung liegt schriftlich vor.
- Die Arbeitsplatzbedingungen sind vergleichbar mit den inländischen Bedingungen. Hierzu muss der Arbeitgeber eine Erklärung zum Beschäftigungsverhältnis ausfüllen. Er muss den ausländischen Arbeitnehmer zu vergleichbaren Konditionen beschäftigen, wie inländische Arbeitnehmer.
- Der Anwärter verfügt über eine in Deutschland anerkannte Berufsausbildung, die ihn zur Ausübung der qualifizierten Beschäftigung befähigt ODER einen im Heimatland anerkannten Berufsabschluss plus zwei Jahre Berufserfahrung im angestrebten Beruf.
- Staatsangehörige aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien sind von dieser Voraussetzung befreit. Die Regelung aus §26 BeschäftigungsVerordnung ist als Westbalkanregelung bekannt, wurde kürzlich entfristet und ermöglicht den Staatsangehörigen dieser Länder, auch ohne den in Deutschland anerkannten Berufsabschluss in Deutschland tätig zu werden. Das gilt bis zu einer Obergrenze von 50.000 Arbeitskräften pro Jahr.
- Vorrangprüfung: Es gibt keine arbeitslosen, deutschen Arbeitnehmer, denen Vorrang zu gewähren ist.
- Die Vorrangprüfung entfällt neuerdings für Berufskraftfahrer (§24a BeschV) und für Mitarbeiter der Windenergie auf See/ Offshore-Plattformen (§24b BeschV).
Bisweilen sieht die Arbeitsagentur die ausländische Berufsausbildung nicht als ausreichend an. Wenn sich zum Beispiel jemand, der eine sehr allgemeine Ausbildung im Hochbau durchlaufen hat, auf eine Stelle als Trockenbauer bewirbt, einen Beruf, der in Deutschland ein eigenständiger Ausbildungsberuf ist. Es kann also sein, dass trotz Berufsabschluss die Agentur für Arbeit in ihrem Zustimmungsverfahren die Beschäftigung ablehnt, wenn diese nicht für qualifiziert gehalten wird, oder Zweifel über die Passung der Berufserfahrung oder des Berufsabschlusses zum Arbeitsplatzangebot bestehen.
Die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen erfolgt nach dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (BQFG). Auf dieser Website können Sie prüfen, ob und wo Sie Ihren Berufsabschluss anerkennen lassen müssen.
Das Merkblatt der Arbeitsagentur zum Anerkennungsverfahren ist etwas veraltet, aber dennoch hilfreich.
Zusammengefasst haben Angehörige der folgenden Staaten nach §26 Beschäftigungsverordnung besonders gute Chancen, problemlos in Deutschland arbeiten zu dürfen, auch wenn die Zustimmung der Arbeitsagentur und die Vorrangprüfung erforderlich bleibt:
- Andorra, Australien, Israel, Japan, Kanada, der Republik Korea, Monaco, Neuseeland, San Marino, des Vereinigtes Königreich Großbritannien, Nordirland
- Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien